Wabi Sabi?

die Reste einer Kletterrose. Das Bildrauschen habe ich bewusst gelassen. Ich fand es passend. 

Fotografiert mit der ILCE-7M3 und Cyclop 1.5/85mm

Bild 1: Zeit: 1/400 ISO:1000

Bild 2: Zeit: 1/600 ISO: 1000

Allen einen guten Start ins neue Jahr.

Liebe Grüße

Dirk

Kommentarbereich

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MOD

Hallo Dirk,

für mich ist Bild 2 sehr gut gelungen. Hier ist die Schärfe schöner gelegt und das Größenverhältnis Rose-Negativraum spricht mich mehr an.  Bild 1 ist mir zu dunkel, zu direkt. Ich kann es nicht anders ausdrücken. Ich hab die Bilder nun schon mehrfach auf mich wirken lassen und denke dass Bild 2 eher  dem Wabi Sabi Gedanken entspricht, Schönheit in jedem Aspekt der Unvollkommenheit ( hier Zerfall)  in der Natur zu finden. Ich verstehe diesen Gedanken so,die  Motive und den Bildausdruck eher durch  Reduktion und Unauffälligkeit auf sich wirken zu lassen, habe mich  selbst aber an solche Darstellungen noch nicht herangewagt. ;-)

Liebe Grüße

Gabi

 

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Makronist

Hallo Gabi,

vielen Dank. :-)

Ich gebe Dir recht, oft bin ich an den Motiven noch zu nah dran. Kann dem Drang nicht wieder stehen viele Details zu zeigen. Dabei malen die alten Objektive einen schönen Hintergrund. 

Das Thema Wabi Sabi interessiert mich schon länger. Roland hat es in der MAKROFOTO Spezial - Natur im Garten sehr gut beschrieben. Das dort erwähnte Buch habe ich die Tage gelesen. Es ist, für einen Interessierten, seehr interessant. :-)

Liebe Grüße

Dirk

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ADMIN

Wabi-Sabi

Hallo Dirk,

Wabi-Sabi in der Fotografie. Wabi-Sabi in der Vintage-Makrofotografie.
Die Beschäftigung mit dieser Sichtweise ist sehr interessant. Wobei Wabi-Sabi mehr als nur eine Sichtweise ist; Wabi-Sabi ist eine Lebenseinstellung.

Asiatische Kulturen

Eine solche Lebenseinstellung wurde und wird vor allem in asiatischen Kulturen gelebt und gepflegt. Hierüber könnte und müsste man eigentlich ein Buch schreiben, nein, am besten zu den entsprechenden Kulturkreisen hinradeln und über Jahre hinweg selbst erleben :-). Dann wird einem bewusst, wie groß der Unterschied zur Lebenseinstellung unserer westlichen Kultur ist.

Stark verkürzt und versucht, in einen einzigen Satz zu pressen, könnte man beispielsweise das japanische "Wabi-Sabi" als die Akzeptanz und Wertschätzung des unbeständigen Wesens allen Seins beschreiben.

Westliche Kulturen

Wir Europäer tun uns dabei oft recht schwer – und das vielfach unbewusst. Nehmen wir als Beispiel die Fotografie von Blumen. Wahrscheinlich weit über 99 % aller Blumenfotos der weltlichen Kultur zeigen die "schönste" Seite jeder Blume – ihre Blüte. Am besten im Zustand der Hochblüte, ohne jeden Makel. Schaut man sich Postkartenständer an, kommen wir auf 100% der dort abgebildeten Pflanzen. Blüten mit verblühten Bestandteilen oder sogar komplett verblühte Blüten sucht man vergebens.

Dies entspricht der Lebenseinstellung der meisten Menschen unserer Kultur. Verblühte Blüten – das wollen wir nicht. Das wird nicht fotografiert, weil es zu wenig schön ist. In den meisten Parks werden Stauden kurz nach der Vollblüte aus ihren Rabatten gerissen und durch andere Stauden ersetzt, die sich blühtechnisch unmittelbar vor ihrem Blühmaximum befinden; die rausgenommen Pflanzen werden auf den Kompost geschmissen.

Diese Wahrnehmung lässt sich auf sehr viele anderen Lebensthemen übertragen wie z.B. Alter, Sterben, Farben oder Weihnachtsschmuck. Überall finden wir eine Verschiebung zum Klimax, zum "Schönen" hin. Überall findet eine starke Wahrnehmungsselektion statt.

Wabi-Sabi in der (Makro-)Fotografie

Japaner, deren Lebenseinstellung sich am Wabi-Sabi-Prinzip orientiert, finden beispielsweise Fotos von ausschließlich in Vollblüte befindlichen Blüten wenig oder nicht schön. Für sie ist der gezeigte inhaltliche Ausschnitt zu eng. Es fehlt die Erfassung der weiteren für das Leben notwendigen Phasen. Für sie fehlt die Vollständigkeit.

[Anmerkung: Das ist hier alles sehr kurz beschrieben und dadurch fachlich nicht vollständig und auch nicht vollkommen korrekt. Wie gesagt, es handelt sich um eine sehr komplexes Thema.]

Beispiel Pflanzenfoto

Wenn wir diese Einstellung auf ein Foto übertragen, läge aus Sicht eines Wabi-Sabi-orientierten Japaners beispielsweise bei einer Pflanze das Schöne in der Darstellung beider (oder mehr) Seiten – wenn also ein Foto sowohl den Blühaspekt als auch das Verblühen erfasst und wiedergibt. Auf ihn wirkt die Gesamtheit des Seins attraktiver als ein herausgefiltertes, vermeintlich Schöne.
Es wird also dieser Lebenseinstellung auch nicht gerecht, nur bzw. isoliert das Verblühen zu zeigen; auch darin liegt nicht der Ausdruck von Vollständigkeit – höchstens im Kontext weiterer Fotos oder eines Textes, der sich mit allen Bereichen pflanzlichen Seins beschäftigt.

(Makro-)Fotografisch bietet dieses Thema einen sehr großen Beschäftigungsrahmen.

In diesem Sinne weiterhin "Gut Licht" 

Roland

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Makronist

Hallo Roland,

vielen Dank für Deine Ausführungen. Seeehr Interessant, seehr Interessant. :-) Nachdem ich mittlerweile erwähntes Buch gelesen habe, kann ich das alles sehr gut nachvollziehen. :-)

Vielleich finden andere User dieses Thema auch spannend und haben nun wertvolle Informationen erhalten.

Liebe Grüße

Dirk :-)

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