Schädigt Blitzlicht Insektenaugen?

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Schädigt Blitzlicht Insektenaugen?

Mi., 03/05/2017 - 16:07
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Wer als Makronist Insekten (oder Spinnen) mit Blitzlicht fotografiert, stellt sich früher oder später die Frage:

Schadet Blitzlicht den Insektenaugen?

Hierzu gibt es keine Untersuchungen, die dies be- oder widerlegen. Wir können also nicht auf abgesicherte Erkenntnisse zurückgreifen.
Allerdings habe ich sehr viele Jahre Erfahrung mit dieser Thematik - mit sehr vielen Beobachtungen!

Furchenbienen-Männchen (Lasioglossum interruptum) lassen sich durch Blitzlicht in keiner Weise beim Putzen stören, hier auf Gemeiner Schafgarbe (Achillea millefolium).

Olympus E-M1; Sigma 105mm f/2.8 Macro; ISO 200; Blende 8.0; 1/250 Sek.; Zangenblitz

Trennen wir erst einmal folgende beiden Aspekte:

  • Reaktion der Insekten (alles, was nun hierzu noch kommt, bezieht sich gleichermaßen auf Spinnen)
  • Schädigung der Augen

Reaktion der Insekten:

Insekten reagieren unterschiedlich auf das Blitzlicht. Hier sind neben weiteren Punkten insbesondere die Insektenart sowie die Helligkeit des Blitzlichts, genauer gesagt die Helligkeit des Blitzlichts im Verhältnis zum Umgebungslicht, von Bedeutung.

Insektenart:

Die überwiegende Mehrheit der Insektenarten reagiert überhaupt nicht oder nur sehr gering auf das Blitzlicht. Reaktionen können spontanes Wegfliegen bzw. -laufen oder nur ein leichtes Zucken sein. Bei fast allen Insekten tritt jedoch ein sehr schneller Gewöhnungseffekt ein: In der Regel bereits nach wenigen Blitzen zeigen sie dann keinerlei Reaktion mehr. Hier gibt es nur sehr wenige Ausnahmen - beispielsweise einige Wildbienenarten.

Helligkeiten des Blitzes und der Umgebung:

Wenn Insekten auf Blitzlicht reagieren, dann in der Regel um so stärker, je größer der Helligkeitsunterschied zwischen dem Blitzlicht und dem Umgebungslicht ist.
Wird beispielsweise in der Dämmerung oder sogar nachts geblitzt, reagieren Insekten deutlich mehr und heftiger (das trifft übrigens auch auf viele Säugetiere zu). Dies ist insofern verständlich, als dass bei geringem oder gar keinem Umgebungslicht der Blitz natürlich als nahezu einzige Lichtquelle sehr stark leuchten muss und dann auch einen sehr großen Helligkeitsunterschied herstellt. Anders ausgedrückt: Bei Dunkelheit haut der Blitz "volle Pulle" rein!

Umgekehrt bei Tageslicht: Je heller das Tageslicht, desto mehr haben sich die Insektenaugen an helles Licht gewöhnt, und umso weniger stark wird der Blitz empfunden - und umso weniger Reaktion zeigen die Tiere. Am geringsten ist also logischerweise der Lichtunterschied bei hellem Sonnenschein.

Die Praxis:
In der Praxis spielen Reaktionen der Insekten auf Blitzlicht meistens eine untergeordnete Rolle. Eine Ausnahme stellt die Nachtfotografie dar. Nächtens liegen jedoch die meisten Makronisten schön brav in ihrer Poofe, anstatt auf´s Übelste Insekten zu stören :-).

Die Geflecktfküglige Ameisenjungfer (Euroleon nostras) zeigt keine Reaktionen auf das Blitzlicht - wenn sie tagsüber fotografiert wird! Anders, wenn man dieses dämmerungs- und nachtaktive Tier in der Dunkelheit anglitzt: Dann zeigt sie deutlich, dass sie offensichtlich gestört wird.

Olympus E-M1; Sigma 105mm f/2.8 Macro; ISO 200; Blende 8.0; 1/250 Sek.; Zangenblitz
 

Schädigung der Augen:

Wie bereits oben gesagt, liegen keine gesicherten Erkenntnisse darüber vor, ob Blitzlicht Insekten- bzw. Spinnenaugen schädigt oder nicht.
Allerdings liegt der Kern meiner Arbeiten seit vielen Jahren in der fotografischen Dokumentation von Verhaltensweisen der Insekten und Spinnen in ihrem natürlichen Lebensraum. Dabei beobachte ich einzelne Tiere häufig während ihrer gesamten Lebenszeit - und fotografiere sie mit Blitzlicht, da sie in Ausübung ihrer jeweiligen Tätigkeiten in der Regel nicht still sitzen. Dies könnte man - wenn auch nicht wissenschaftlich abgesichert - zugegebenermaßen vage und in Ermangelung einer Alternative als Freilandversuch ansehen.

Auch nach längerem und intensivem "Beblitzen" zeigten die Insekten und Spinnen bei meinen Arbeiten nie Verhaltensänderungen, die darauf hindeuten, dass Ihre Sehfähigkeit beeinträchtigt war. Ich spreche hier von teilweise wochenlangen (viele Insektenarten haben eine ca. vier- bis sechswöchige Lebenserwartung) Beobachtungen und Dokumentationen einzelner Individuen, begleitet von vielen hunderten bis vielen tausenden Blitzabgaben. Hierbei konnte ich weder kurzfristige noch langfristige Beeinträchtigungen feststellen.

Valentins Erfahrungen weisen in die gleiche Richtung. Hier einige Zeilen von ihm zu diesem Thema:

"Ich kann die Erfahrungen von Roland nur bestätigen. Auch ich habe noch keinerlei negative Auswirkungen bei der Verwendung von Blitzlicht bei der Makrofotografie von Insekten, Spinnen und Springschwänzen feststellen können. Selbst bei hoher Blitzleistung, wie man sie beispielsweise bei den winzigen Kugelspringern braucht, zeigen diese Tiere keine Reaktion. Würde das Blitzlicht schädigen oder stören, könnten sie sich mit einem einfachen Sprung in Sicherheit bringen, doch das habe ich noch nicht erlebt.

Ähnliches bei Springspinnen, die völlig unbeeindruckt vom Blitzlicht weiter an ihrer Beute saugen.

Die weit verbreitete Meinung, Blitzlicht könne diesen Tieren schaden, kann ich demnach nicht teilen. Im Gegenteil: Ich halte das pralle Sonnenlicht, dem die Augen dieser Tiere völlig ungeschützt ausgesetzt sind, für weitaus aggressiver als ein Licht, das nur für den Bruchteil einer Sekunde aufblitzt."

Die Praxis:
Auch, wenn noch keine solide abgesicherten Erkenntnisse hierzu vorliegen, gehen wir aufgrund eigener intensiver Beobachtungen davon aus, dass der Einsatz "normaler" Blitze in der Makrofotografie zu keinen Schädigungen der Insekten- und Spinnenaugen führt.

In diesen Sinne wünsche ich allen Makronisten "Gut (Blitz-)Licht",

Roland Günter

Selbst Grabwespen scheinen mit ihren meist riesigen Facettenaugen offensichtlich unempfindlich gegenüber Blitzlicht zu sein - Weibchen der Grabwespe Ectemnius continuus auf Möhre (Daucus carota)

Olympus E-M1; Sigma 105mm f/2.8 Macro; ISO 200; Blende 8.0; 1/250 Sek.; Zangenblitz

Roland Günter ist Betreiber von Makrotreff und Chefredakteur von MAKROFOTO. Der Dipl. Forst-Ingenieur betreibt die Makrofotografie hauptberuflich und verwaltet ein umfangreiches biologisch-wissenschaftliches Bildarchiv.

Der Kern seiner Arbeit liegt in der Dokumentation biologischer Vielfalt. Zu diesem Themenkomplex werden seit vielen Jahren seine Fotos und Reportagen im In- und Ausland in vielen gängigen Zeitschriften und Buchproduktionen publiziert.

Einen weiteren Schwerpunkt seiner Tätigkeit bildet die von ihm auf professionelles Niveau gehobene künstlerisch-kreative Vintage-Makrofotografie – also die Fotografie mit alten Objektiven an modernen Sensoren. Unter anderem hat er den einzigartigen Multivisions-Vortrag Fotografie mit Flair – Malen mit der Kamera konzipiert und neben anderen Events bei den Internationalen Fürstenfelder Naturfototagen vor großem Publikum gehalten.

Kommentare

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Erstellt von Nina on Do., 27/07/2017 - 21:29 Permalink

Hallo,

mein Name ist Nina und neu seid heute im Makrotreff. Ich forografiere bereits schon etwas länger, habe es aber leider noch nie so ganz mit dem Blitzlich hinbekommen.

 

Selbstgebastelter Difusor währe jetzt meine erste Lösung, gibt es erfahrungen wie man diesen am besten bauen könne?

Profile picture for user Roland

ADMIN

Hallo Nina,

herzlich willkommen bei Makrotreff!

Es ist nicht ganz einfach, Deine Frage generell zu beantworten. Der Bau eines Difusors hängt stark von den verwendeten Blitzen ab: Setzt Du "normale" Blitze ein? Nutzt Du spezielle Makroblitze? Wie arbeitest Du im Makrobereich (Optik)? Welchen Abstand hast Du zwischen Objektiv und Objekt?

Das alles sind wichtige Punkte, die Einfluss auf den Difusor haben. Solltest Du mit Makroblitzen arbeiten, hilft Dir vielleicht die Bauanleitung, die wir hier auf Makrotreff für den Zangenblitz von Canon (MT-24EX) eingestellt haben.

Solltest Du blitztechnisch anders aufgestellt sein, wird Dir das wahrscheinlich weniger helfen. Dann bräuchte ich mehr Angaben ...

Lieber Gruß,

Roland

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Erstellt von Hans Schwarting (nicht überprüft) on So., 27/08/2017 - 13:40 Permalink

Danke für die Info und tollen Bilder.

Ich bevorzuge bei meinen Makros zu 90% den internen Blitz. Die Bilder werden sauberer und klarer. Allerdings habe ich den Eindruck, dass manche Schmetterlingsarten auf den automatischen Autofokus reagieren und schon vor dem auslösen wegfliegen. Kann das mit Infrarot in Verbindung stehen?

Beste Grüße

Hans

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ADMIN

Hallo Hans,

ob Schmetterlingsarten (oder auch andere Insekten) auf Infrarot reagieren, ist mir nicht bekannt. Ich hatte bisher vergleichbare Erfahrungen nicht gemacht.

Sollte jemand hier im Forum zu diesem Thema Beobachtungen gemacht haben, wäre es sehr schön, davon hier zu berichten.

Lieber Gruß,

Roland

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Auch ich habe den Eindruck, dass manche Falter auf den Autofokus reagieren. Ich führe das eher auf die Geräusche, also Schwingungen in der Luft, zurück.

Benutzt Dein Autofokus Infrarot? Das wäre eher ein Sonderfall. Normalerweise sendet der Autofokus nichts aus, sondern nutzt das einfallende Licht (Phasenvergleich; Kontrast). Meiner (Canon) sendet nur bei zu schwacher Beleuchtung Hilfslicht aus.

Viele Grüße Jürgen

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Als Neuling im Forum möchte ich erst mal Servus sagen, wie Ihr am Benutzernamen und der Begrüßung unschwer erkennen könnt, komme ich aus Bayern ;-) Ihr habt hier wirklich eine sehr schöne Seite aufgebaut, die endlich auch mal tiefer in die Materie eindringt.

Nun mein Kommentar zum Thema Insekten und Blitzlicht: selbst konnte ich bisher keine Schädigungen beim Blitzen von Insekten feststellen, eine Reaktion weisen meiner Beobachtung nach Großlibellen auch bei Tageslicht auf, sie gewöhnen sich aber schnell daran.

In Extremfällen kommt es wohl zumindest bei manchen Schmetterlingsarten (z.B. tropische Baumnymphen) tatsächlich zu Schädigungen der Augen: meine Frau ist seit vielen Jahren beruflich bei der Schmetterlingsausstellung im Botanischen Garten München tätig, bei der tropische Schmetterlinge während der Wintermonate in einem der Gewächshäuser fliegen. Dort ist seit einigen Jahren das Fotografieren mit Blitzlicht verboten, da einige Arten die Netze, mit denen die Lüftungsfenster verhängt sind, nicht mehr sehen konnten und sich regelmäßig darin verhedderten. Allerdings liegt hier sicher ein Extremfall vor, da an manchen Wochenenden über tausend Besucher zu verzeichnen sind und natürlich einzelne Tiere, die günstig posieren, dann tausendfach abgelichtet werden. Hollywood-Stars müssen das Blitzlichtgewitter ja auch nur ein paar Minuten aushalten - nach einem ganzen Tag hätten die wohl auch Augenschädigungen.

Liebe Grüße,
Christian

 

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ADMIN

Hallo Christian,

das ist ein sehr interessanter Erfahrungsbericht. Solche Erfahrungen aus einem Schmetterlingshaus sind natürlich erst einmal als wichtiger Hinweis und auch als Tatsache anzusehen. Natürlich, die "Expositionen", mit denen die dortigen Falter Blitzlicht ausgesetzt sind, sind unvergleichbar mit den Belastungen infolge der Blitzfotografie in freier Natur. Dennoch dürften sie fast wie ein wissenschaftlicher Versuch zu sehen sein – mit dem Ergebnis, dass offensichtlich irgendwann doch Schädigungen eintreten. Das ist auch für mich neu.

Vielen Dank für diese sehr wichtige und interessante Information zu diesem Themenkomplex.

Lieber Gruß,

Roland

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Erstellt von Jürgen Sonnemeyer (nicht überprüft) on Mo., 23/07/2018 - 11:47 Permalink

Also irgenwie habe ich Probleme mit dem kommentieren. Meine Kommentare erscheinen nur manchmal und der Idiotentest nervt manchmal, da prüft nämlich ein Computer ob ich kein Computer bin.

Zum Thema:

Zum Kommentar von Christian: Wahrscheinlich ist es bei Insektenaugen wie bei Menschenaugen. Mal kurz zu viel Helligkeit geht, aber häufig und/oder lange zu viel Licht führt zu Schäden. Die Blitzleistung ist nicht zu unterschätzen, ich habe mir versehentlich ein Rechteck auf den Stoff einer Hose gebrannt.

Ein Taubschwänzchen reagierte auf die Annäherung des Fotografen aber gar nicht auf den Blitz. Sein Flugverhalten war nach mehreren Blitzen unverändert.

Ein ruhender Bläuling bewegte sich zuerst und öffnete beim dritten Blitz seine Flügel. Der Lichtreiz gaukelte ihm wohl Sonnenschein vor. Das Experiment werde ich nicht mehr wiederholen.

Viele Grüße

Jürgen

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