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Hallo Ingo,

Kontraste habe großen Einfluss auf unser Schärfeempfinden. So kann ein flaues Bild leicht unscharf wirken, obwohl es dies vielleicht gar nicht ist. Andersherum können (zu) starke Kontraste ebenfalls den Eindruck von Unschärfe vermitteln, insbesondere dann, wenn es an den Kontrastkanten zu Überstrahlungen kommt.

Hieraus geht hervor, dass insbesondere Vintage-Objektive bei Offenblende – und hier vor allem mit großen Offenblenden – eher stärker auf bestimmte Kontrastverhältnisse reagieren als moderne Optiken. Das "Problem" hierbei ist: Es entscheiden oft Nuancen! So können beispielsweise starke Kontrastkanten zu einem tollen Schärfeeindruck führen, bei einem minimalen weiteren Anheben der Kontraste jedoch durch Überstrahlungen ins Gegenteil führen und somit einen starken Unschärfeeindruck vermitteln. Das macht das ganze Thema schwer berechenbar – aber auch sehr spannend; hierin liegt ein gewaltiger Gestaltungsspielraum.

Es lassen sich bei vielen tollen Vintage-Objektiven keine allgemeinen Regeln ableiten, insbesondere nicht bei vielen Bokehschleudern und/oder sehr lichtstarken Objektiven wie auch das tolle Olympus 1.2/55mm. Manche Vintage-Makronisten sind der Auffassung, "nur" mit viel und/oder direktem Licht ließen sich scharf wirkende Fotos erstellen. Und es stimmt: Bei eher harmonischem Licht entsteht bei den sehr hohen Lichtstärken schnell ein diffuser Unschärfeeindruck. Doch habe ich mit solchen Objektiven auch schon bei extrem wenig Licht Fotos gemacht, die auch in puncto Schärfe keine Wünsche offenlassen.

Es geht aber nicht nur um Nuancen hinsichtlich der gegebenen Licht- und Kontrastsituationen. Auch unterschiedliche Vintage-Objektive können bei gleicher Ausgangslage völlig unterschiedlich reagieren. Während das eine Objektiv bestimmte, gegebene Kontrastkanten scharf trennt und dadurch einen hohen Schärfeeindruck vermittelt, beginnt ein anderes Objektiv an den gleichen Stellen bereits zu glühen – vielleicht sogar mit dem besseren (weil spannenderen, weil kreativeren, weil stimmungsvolleren...?) Bildergebnis, aber mit der Folge eines ausgeprägteren Unschärfeeindrucks. Ich werde von den Objektiven immer wieder überrascht, wie sie in bestimmten Situationen insbesondere mit dem Licht sowohl in den Schärfen und hier vor allem an den Kontrastkanten als auch in den Unschärfen umgehen und wie groß der Einfluss kleinster Änderungen hierbei ist.

Um zurück zu Deinen Fotos zu kommen: Oben drüber steht, dass bei Tieren mit Augen und Haaren hinzukommt, dass das menschliche Gehirn in der Regel mehr Schärfe "erwartet" als bei Nicht-Tier-Motiven. Hier werden gegebene Spielräume schnell anders empfunden. Deshalb rate ich meist dazu – so auch in Breklum –, bei der Vintage-Makrofotografie nicht unbedingt mit Tiermotiven zu beginnen. Klar, Tiere üben auf viele Makronisten eine hohen Reiz aus, das ist mehr als verständlich. Aber wenn man mit einem wilden Vintage-Objektiv sofort auf alles, was sich bewegt, draufhält, führt das später am Monitor schnell zu einer großen Enttäuschen. Viele Vintage-Makronisten haben in solchen Situationen – leider sehr frustriert – alles in die Tonne getreten. Hat man ein Objektiv jedoch mal eine zeitlang kennengelernt, lassen sich dessen Abbildungstendenzen in Abhängigkeit zu den vorliegenden Situationen schließlich auch am Motiv "Tier" besser einschätzen.

All das zeigt, dass hier keine universell geltende Aussagen gemacht werden können. Am besten ist es, man befreit sich von allem Glück und Unglück dieser Welt – macht sich also ordentlich frei –, lässt sich vom Objektiv Gassi führen (und nicht umgekehrt) und schaut, was das Objektiv aus den verschiedenen Situationen so alles macht. Wenn man sich in dieser Phase erst mal damit begnügt, auf die "sonstigen", auf die eher nüchternen Parameter wie Belichtung, Verwacklungsvermeidung, aber auch Bildaufteilung usw. zu achten, kommen meist schon im wahrsten Sinne des Wortes traumhafte Bilder dabei raus :-). Denn solche Fotos sind bereits Gemeinschaftsprodukte vom Fotografen und dem eingesetzten Objektiv. Beide zusammen können bessere Bilder als jeder einzeln für sich :-).

Liebe Grüße 

Roland

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