extensiver Acker; © R. GÜNTER

Thema Insektensterben:

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Thema Insektensterben:

Do., 29/06/2017 - 11:25
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Es kommt Bewegung in die ganze Sache!

TOP-Thema im heutejournal (ZDF): Das "Insektensterben"

Grünes Heupferd (Tettigonia viridissima) in extensiv genutztem Acker

Seit einigen Wochen häufen sich die Berichterstattungen über den dramatischen Rückgang der Insekten. Insbesondere verschiedene Radiosender berichten zunehmend über die Ergebnisse der Forschungen, die Auslöser des Ende des vergangenen Jahres verfassten offenen Briefs zahlreicher deutscher Insekten-Wissenschaftlern (Entomologen) sind. Wir stellten diesen offenen Brief hier bei Makrotreff ein.

Gestern Abend war das "Insektensterben" (so heißt dieser Sachverhalt mittlerweile sehr medienwirksam) Thema bei Klaus Kleber im heutejournal (ZDF) um 21:45 Uhr. Interessant: Es war das TOP-Thema! Es war der erste Beitrag im Journal, unterstützt durch einen eingespielten Film-Plot, zusätzlich im Studio kommentiert vom ZDF-Umweltexperte Volker Angres. Das Ganze ist zu sehen hier:

Die Wichtigkeit des Sachverhalts scheint allmählich erkannt zu werden - auch, wenn die Dramaturgie des Ganzen mehr an der zu erwartenden fehlenden Bestäuberleistung seitens der Bienen festgemacht wird und damit schlecht für den Menschen ist. Allerdings liegt man hier voll im Einklang mit der allgegenwärtigen anthropozentrischen Sichtweise, die uns in der Konsequenz ihrer Ausprägung allmählich an zahlreiche Abgründe führt (1).

Von wissenschaftlicher Seite wird heute eindeutig die industrialisierte Landwirtschaft mit ihren Chemie-Einsätzen auf ausgeräumten Produktionsflächen als Hauptverantwortlicher für diese negative Entwicklung gesehen (siehe u.a. den angesprochenen offenen Brief). Interessant ist nun die prompte Reaktion des Bauernverbandes auf den Beitrag im heutejournal: Der klassischen Sextanerlogik folgend, ist es dem Umweltbeauftragten des Deutschen Bauernverbandes Erhard Hartelt nicht zu dumm, festzustellen, dass es auch andere Ursachen für den Rückgang der Insektenpopulationen gibt. Tja, das kennt man doch noch aus alten Schulzeiten: Hatte der Sitz-Nachbar auch eine Fünf, war die eigene doch gar nicht mehr so schlimm!
Immerhin sieht er auch Handlungsbedarf bei der Landwirtschaft und nimmt den landwirtschaftlichen Bereich dann doch "sehr ernst" - na, geht doch! Wir werden sie an den Taten messen ...

Und auf eines ist dann auch immer wieder Verlass: die geöffnete bäuerliche Hand. Alois Heißenhuber, seines Zeichen Agrarökonom, spult postwendend die übliche (bäuerliche) Forderung nach finanzieller Entschädigung durch öffentliche Mittel (auch genannt "Ausgleichszahlungen" oder "Fördergelder") für die Landwirte ab, sollten sie tatsächlich weniger martialisch mit Grund und Boden und allem, was darauf kreucht und fleucht, umgehen (siehe Beitrag heutejournal). Solange in unserem Wirtschaftssystem das Prinzip gilt, dass der Verzicht auf Zerstörung von Ökosystemen und Tötung von Lebewesen entschädigt werden muss, werden wohl (weiterhin) sämtlichen auch noch so gut gemeinten Absichtserklärungen ins Leere laufen.

Wesentlich zielführender und für mich als Menschen wohltuender sind doch da die ehrlichen Worte von Frau Prof. Beate Jessel, Präsidentin des Landesamts für Umwelt (LfU), und Volker Angres. Beide benennen auffallend offen die Gründe, warum die Naturschutz- und insbesondere die Agrarpolitik der vergangenen Jahren so deutlich ins Leere gelaufen und damit mitverantwortlich für die aktuelle Miesere unserer Mitbewohner auf diesem Planeten ist - aber seht Euch am besten selbst den Beitrag im heutejournal an ...

Roland Günter

 

Literaturhinweis:

(1) siehe hierzu auch: Tiere denken; v. Richard David Precht; Wilhelm Goldmann Verlag München; 2016; 2. Auflage

Anmerkung: Precht thematisiert zwar in seinem Buch schwerpunktmäßig die Themenkomplexe rund um Themen wie Nutztiere, Tiere essen, Tierversuche usw. Aber seine ausführliche Betrachtung der allgemeinen Beziehungen des Menschen heutiger Kulturen zu seinen Mitgeschöpfen inklusive deren Ursprünge ist sehr lesenswert und veranschaulicht den Stellenwert aller Tiere uns Menschen gegenüber aus unserer anthropozentrischen Weltsicht.

Extensiv genutzter Acker mit "Begleitwuchs"

Roland Günter ist Betreiber von Makrotreff und Chefredakteur von MAKROFOTO. Der Dipl. Forst-Ingenieur betreibt die Makrofotografie hauptberuflich und verwaltet ein umfangreiches biologisch-wissenschaftliches Bildarchiv.

Der Kern seiner Arbeit liegt in der Dokumentation biologischer Vielfalt. Zu diesem Themenkomplex werden seit vielen Jahren seine Fotos und Reportagen im In- und Ausland in vielen gängigen Zeitschriften und Buchproduktionen publiziert.

Einen weiteren Schwerpunkt seiner Tätigkeit bildet die von ihm auf professionelles Niveau gehobene künstlerisch-kreative Vintage-Makrofotografie – also die Fotografie mit alten Objektiven an modernen Sensoren. Unter anderem hat er den einzigartigen Multivisions-Vortrag Fotografie mit Flair – Malen mit der Kamera konzipiert und neben anderen Events bei den Internationalen Fürstenfelder Naturfototagen vor großem Publikum gehalten.

Kommentare

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MOD

Das finde ich sehr gut und sehr hilfreich, wenn Herr Kleber und sein Team das schon als sendungswürdig erachtet! Vielleicht tut sich mal was zeitnah. In der Zeit-Beilage"Forschungsfelder" wurde auch über interessante Maßnahmen berichtet.

Ein kleiner Funken Hoffnung. :-) Leider sitzt nur wenig Kompetenz in der oberen landwirtschaftlichen Führungsebene.;-)

LG Gabi

 

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MOD

Es ist nicht zu glauben. Weitere 5 Jahre Glyophosat dank Herrn Schmidt. Was soll man da noch sagen.Dies läßt sich an Ignoranz nicht überbieten. Ich bin tief enttäuscht über diese Entscheidung. Was kann man da noch tun, außer Protestmails via Greenpeace verschicken. Traurig! Wen wundert es da noch, das die Politikverdrossenheit weiter zunimmt. Was hilft:

Weiter kämpfen, Leute informieren und im Kleinen versuchen Menschen für die Umwelt und Artenvielfalt zu interessieren.!

Liebe Grüße

Gabi

 

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ADMIN

Auch meine Stimmung schwankt zwischen Enttäuschung, Trauer und Wut. Da rede ich mir den Mund fusselig bei meinen Multivisions-Vorträgen zu diesem Thema, klatsche noch vorgestern fotografische Beweisführungen über die weitreichenden, irreversiblen Folgen dieser Gifte auf riesige Leinwände – und zeitgleich läuft dieses politische Kindergartengerangel, was an Dummheit, Ignoranz und Dreistigkeit nicht mehr zu überbieten ist.

Was mich auf den Gipfel der Verständnislosigkeit katapultiert, ist der aktuelle Umgang mit diesem CSU-Klassiker. Nein, nix da mit Enttäuschung oder gar Angst über die nun weitere Glyphosat-Vergiftung unserer Landschaft. Alleine die Empörung über den Vertrauensverlust innerhalb der GroKo, der Ärger über das Prinzip des Alleinganges eines Antidemokraten, der bittere Geschmack, übergangen worden zu sein – ausschließlich das steuert die Reaktionen der "gelackmeierten" Restpolitiker im Schatten der CSU. Selbst in dieser Situation geht es immer noch nur um geistloses, egozentrisches Machtgerangel. Die fachlichen, sprich ökologischen Folgen dieses Irrsinns sind aktuell nicht mal Thema bei der ausgenockten Bundesumweltministerin Hendricks.

Arme Politik, armes Deutschland, arme "biologische Vielfalt" – und irgendwann auch mal arme Menschen! Aber sind die wirklich so arm? Die verursachen das alles doch voll wissentlich...

Lieber Gruß,

Roland

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ADMIN

E n t w a r n u n g !

Die Kanzlerin Frau Merkel hat vorhin ihren CSU-Kollegen Schmidt gerügt. Sie sagte: "Na, na, na, du böser Junge, das machst Du mir aber nicht nochmal." Damit dürfe der CSU klar sein, wo der Hammer hängt. Also, alles wieder in Butter.

Das werde ich in irgendeiner Zukunft mal den Menschen aus dieser Zukunft erzählen. Mal sehen, was die dazu sagen...

Mir bleibt nur noch der Sarkasmus!

Gruß,

Roland

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MOD

Ich bin mir mittlerweile sicher,das Frau Merkel genau dieses gewollt hat. Sie steht auf Glyphosat. Und so wurden gleich 2 Fliegen mit einer Klappe erschlagen. Sie bekommt- mal wieder- ihren Willen und Herr Schmidt empfiehlt sich weiter bei der Wirtschaft für einen späteren Job. Alles feini ! Alles was noch zählt ist die Gier nach Macht und Geld. Die Natur bleibt dabei auf der Strecke.

Aber das ist ein zu kurzes Denken. Die Natur schlägt zurück.Tut sie ja jetzt schon.

Ich bekomme bei all diesem Geschehen ganz böse Gedanken,die ich sonst eigentlich nicht habe.Hilflosigkeit ist echt ein blödes Gefühl.Da hilft nur noch zur Ablenkung und Aufheitern:

 siehe 28.11.17- ZDF - Comedy, Mann, Sieber! Apokalypsen Twist

Wenn`s nicht so wahr wäre :-(

Liebe Grüße

Gabi

 

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Macht euch keine Illusionen, auch wenn jetzt das Thema Insektensterben in den Medien häufiger auftaucht, aber die Hoffnung stirbt zuletzt.

Es sind doch auch die Bauernverbände und die Agrarlobby, die sich gegen eine Einmischung von ihrer Meinung nach Ökospinner wehren. Rückendeckung gibt es dann noch von der Merkel Regierung und voran unser sogenannter Bundesminister für Ernährung und Landwirtschaft Christian Schmidt, der anscheinend schon auf einen Posten bei Bayer/Monsanto schielt. Angeblich hat er ja nur einer befristeten Verlängerung des Glyphosateinsatzes zugestimmt, wenn er dieses nicht getan hätte, wäre diese Frist noch viel länger gelaufen, so seine Aussage bei Hart aber fair, welch eine besonders gute Tat. Wann wohl die nächste Fristenverlängerung dafür ansteht? Aber es ist ja nicht nur das Glyphosat das die Wirtspflanzen vieler Insekten zerstört, es sind auch die verschiedenen Nervengifte bei denen Insekten sterben oder zumindest ihr Gehirn angegriffen wird, sodass sie dadurch orientierungslos werden.

Ich weiß ja nicht wer von euch „Der stille Tod der Bienen - wer vergiftet unsere Natur“ bei Hart aber fair gesehen hat, noch steht die Sendung in der Mediathek der ARD. Hier war auch der Generalsekretär des Deutschen Bauernverbandes Bernhard Krüsken mit dabei. Seiner Meinung nach muss erst einmal ein Gutachten erstellt werden, ob die Landwirtschaft auch eine wirkliche Schuld am Artenrückgang trifft. Man weiß ja wie lange solche Gutachten dauern. Vielleicht solange bis sich in der Landschaft nichts mehr bewegt, dann kann man zumindest schon mal die Insektizide einsparen. Es gibt zwar wissenschaftlichen Studien aus Krefeld, die auch vom Wissenschaftsjournalisten und Physiker Ranga Yogeshwar zur Sprache gebracht wurden, diese werden aber von den Bauernverbänden angezweifelt. Also muss zuerst einmal ein Gutachten her. Man kennt es ja mit den gekauften Gutachtern, diese werden den Bauernverbänden schon recht geben. Also bleibt erst einmal alles wie gehabt.

Wir können zwar auch etwas tun, jedenfalls wenn wir nicht darauf bedacht sind, den schönsten gepflegtesten Rasen zu haben, diesen dann möglichst ohne irgendwelches Wildkraut, wie z.B. Klee oder Gänseblümchen. Grasflächen inklusive Wildkräuter und Blumen unterstützen Insekten und Co ebenso, sowie auch insektenfreundliche Blumen, ein bisschen Unordnung im Garten könnte auch nicht schaden. Wenn man allerdings die riesigen Agrarwüsten dagegen nimmt, so ist der Garten nur der berühmte Tropfen auf dem heißen Stein. Auch weil die Grundstückspreise immer mehr in die Höhe gehen werden Häuser immer enger zusammengepfercht, so das hier kaum noch eine Gartenfläche bleibt.

Es werden riesige Felder mit Mais angebaut, die weiter keinen ökologischen Wert haben, nur um Strom und Zusätze für Kraftstoffe zu gewinnen, eventuell noch als Viehfutter. Auf der anderen Seite verschenken wir Stromüberschüsse an Österreich. Es stehen in der Nordsee riesige Windparks zur Stromerzeugung, man streitet sich aber über die Verlegung der Südtrasse, um den Strom auch nach Süddeutschland zu bringen. Auch wäre es eigentlich sinnvoll das der Ökostrom auch den günstigsten Tarif bekommen würde, so würden die meisten Haushalte auch diesen Strom nutzen und nicht den billigeren aus Kohle- oder Atomkraftwerken, das aber nur so nebenbei.

Auch entsorgen wir tonnenweise Lebensmittel, aber auf der anderen Seite werden große Ackerflächen präpariert, um noch höhere Erträge zu produzieren. Auch versiegeln wir große Flächen durch jede Menge Treibhäuser. Alle möglichen Fleischabfälle, die hier nicht zu verkaufen sind, es wird ja möglichst billig nur noch Brust und Filet gegessen, gehen plus Überproduktionen subventioniert nach Afrika. Dadurch gehen dort zwar landwirtschaftliche Betriebe kaputt, aber unsere entsprechenden Betriebe sind das Zeug los und das auch noch mit Gewinn.

Ich habe irgendwo gelesen, dass kleine Drohnen in der Erprobung sind, um Blüten zu bestäuben. Wozu dann noch Bienen oder andere Bestäuber? Falls einer Honig essen will, für den wird die Lebensmittelindustrie schon mit passenden Chemikalien etwas zusammen panschen.

LG, Dieter

 

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Makronist

Hallo Roland und Kommentatoren,

beim Lesen dieses Beitrags seh ich mehr und mehr wie die Interessen von Naturschutz und kommerzielles Denken aufeinanderprallen. Ich wohne hier in Stuttgart in Sichtweite zum Porsche Werksgelände in einer sogenannten Kleinsiedlerstelle, das sind Siedlungen Deutschlandweit aus dem Jahr 1935 entstanden wo die Bewohner dazu anfangs verpflichtet wurden Obst und Gemüseanbau mit Kleintierhaltung (Hühner, Hasen usw.) zu betreiben. Von den Erzählungen der inzwischen übriggebliebenen Siedlern geht hervor dass natürlich der Bestand an Insekten in diesem Siedlungsmodell natürlich reichhaltig war, zumal auch vereinzelt Bienenzucht betrieben wurde. Sodann besteht diese Siedlung aus annähernd 500 Häusern  mit Gartenanteil von 300 - 800 qm, also wäre demnach durchaus anzunehmen, dass doch die Artenvielfalt der Insekten reichhaltig wäre. In Wirklichkeit sieht es aber so aus, dass die Mehrheit der Anwohner zwar den Garten pflegt und hegt, aber wenns drum geht sogenanntes Unkraut (Löwenzahn,Brennessel, Giersch usw.) zu entfernen dann wird großzügig Unkrautvernichter der stärksten Wirkung bedenkenlos eingesetzt.

Ich wohne hier seit 1978 und habe meinen Garten mit  800 qm niemals mit irgendwelchen chemischen Mitteln o.ä. bearbeitet,so wächst da kreuz und quer Löwenzahn, Brennessel , Giersch, Hahnenfuß usw. die Grasflächen werden erst abgemäht wenn die Samen ausgefallen sind, es gibt verschiedene Insektenschutzräume ( Totholz, Steinhaufen, Bienenwiesen usw.) und dennoch ist es so, dass die von Jahr zu Jahr vorkommenden Bestände der Insekten sehr schwankend sind. Und nun mal zur Statistik, von allen knapp 500 Grundstücken dieser Siedlung bin ich der einzige wo nach diesem Prinzip Garten bewirtschaftet, ab und zu kommt es mal vor, dass so ein Grundstück verwildert, da stellt sich dann heraus, der Besitzer ist krank oder überfordert, dann kommt wieder neuer Lebensraum für Insekten und dergleichen zustande.,

Mein Fazit zum Thema Insektensterben ist nun so dass ich meine, im Laufe der vergangenen Jahrzehnte hat sich ein gewaltiger Wandel im Bezug auf den Schutz der Insektenwelt vollzogen, dieser Wandel fängt schon in den Wohngebieten mit Gärten usw. an wo vielfach bedenkenlos Chemie eingesetzt wird anstatt der Natur selbst eine Plattform zur freien Entfaltung zu geben. Hinzu kommt verstärkt die Unkenntniß in der Bevölkerung um die Zusammenhänge für die Notwendigkeit zur Erhaltung der Lebensräume aller Insekten überhaupt zu verstehen. Ich behaupte jetzt mal einfach aus dem Bauch raus, dass dieselbe Situation bei den Landwirten vorherrscht, wenn da vielleicht mal einer von 500 Landwirten ein besonderes Interesse für die Erhaltung der Insektenwelt zeigt und praktiziert, dann ist der schon ein großer Idealist. Man kann es den Landwirten noch nicht mal verübeln, die werden ja sogar von oberster Stelle dazu unterstützt.

Gäbe es also nicht Unterstützer und Förderer und Naturschutz Organisationen und solche Portale wie Makrotreff die immer und immer wieder trotz aller Rückschläge und Niederlagen, dann wäre wohl auf lange Sicht kaum noch eine Lobby für die Welt der Insekten da. Im Übrigen wurde sogar festgestellt, dass gerade die Wildbienen in den Ballungsräumen von Städten eher noch Überlebensräume haben in Blumenkästen der Balkone u.ä.

Ich denke keiner der weiß wie wichtig es ist die Bestände der Insekten zu schützen wird die Flinte ins Korn werfen und aufgeben, es kann sich so manches noch ändern.

Viele Grüße

Sigi Weyrauch

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ADMIN

Hallo Sigi,

sicherlich hat sich in vielen Lebensraumtypen eine ganze Menge verändert. Den Wandel bei den zahlreichen Kleingärten schilderst Du sehr treffend am Beispiel der Kleinsiedlerstelle in Stuttgart. Hier besteht sicherlich zum einen Aufklärungs-, und zum anderen Handlungsbedarf.

Allerdings habe ich mehr Verständnis dafür, das ein Aufklärungsbedarf bei Gartenbesitzern besteht, die beruflich vielleicht ihr Leben lang im benachbarten Porschebetrieb arbeiten, als bei Landwirten. Letztere haben ihren Umgang mit der Natur zu ihrem Beruf gemacht. Und da sollte und kann man auch einen höheren Wissensstand über zumindest die Grundlagen der Ökologie in Lebensräumen erwarten.

Wir sollten nicht immer die Landwirtschaft pauschal unter Schutz stellen. Bauern sind nicht per se eine schutzbedürftige Menschengruppe. Wir haben es hier mit einer Berufsgruppe zu tun, die sich trotz aller Mahnungen und Warnungen über Jahrzehnte hinter angeblichen EU-Regeln und Bauernvertretungen versteckt, sich von diesen regelrecht entmündigt hat. Dennoch sind es denkende Menschen, auch heute, nach jahrzehntelanger Entmündigung.

Und vor allem sollten die übrigen Menschen, die "Nicht-Bauern", nicht vergessen oder übersehen, dass die Bauern mit ihrem Handeln über das Wohl von Pflanzen und Tieren auf riesigen Flächen entscheiden. SIE gestalten das, was wir heute Landwirtschaft nennen, das, worauf unsere Nahrungsmittel wachsen. Und das, auf dem Tiere und Pflanzen leben, die ihnen nicht gehören! Insekten, Feldhamster, Rebhühner, Feldlerchen, Hasen und Co. gehören den Bauern nicht, sie gehören niemandem. Dennoch sprechen die Landwirte so gut wie immer von "ihren" Feldern und Wiesen. Ja was gehört ihnen denn nun wirklich? Die reine Fläche? Alle Lebensformen auf diesen? Oder das große Recht, über das Sein und Nichtsein dort zu bestimmen?

Fest steht: Seit Jahrzehnten hat die Landwirtschaft – und mit ihnen die Bauern – eine gigantische Zerstörungs- und Vergiftungs-Maschinerie aufgebaut, die auf etwa einem Drittel unserer gesamten Fläche alles tötet bis auf eine Handvoll Kulturpflanzenarten. Auch wir Menschen werden bereits zu tausenden getötet (*siehe Quellen unten). Und hier spreche ich nur von den isolierten Folgen der extrem hohen Düngungen, die jedoch kaum jemandem bekannt sind. Die gesamte Problematik der tonnenweisen Pestizideinsätze lasse ich hier mal außen vor. 

Das klingt hart, weiß ich, aber es stimmt. Wir brauchen nicht kopfschüttelnd nach China oder sonst wo hin schauen, um zu sehen, dass dort Menschen an solchen Dingen sterben. Das große Sterben sowohl der Tiere als auch der Menschen hat auch bereits in Deutschland eingesetzt (siehe Quellen). Es ist bereits Gegenwart, wir müssen nicht mehr auf die Zukunft warten.

Deshalb bitte nicht immer die armen Bauern in Schutz nehmen. Wenn das auch das letzte ist, was bleibt: Sie sollen sich wenigstens für diesen Wahnsinn nicht auch noch als Opfer fühlen (dürfen)! Wo bleibt die Selbstverantwortung?

Lieber Gruß,

Roland

* Quellen:

Albert Schweitzer Stiftung: Landwirtschaft / Tote durch verschmutzte Luft

Max-Planck-Gesellschaft: Weniger Dünger reduziert die Feinstaubbelastung

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Makronist

Hallo Roland,

so klar wie du die Verantwortung der Landwirte anmahnst seh ich das ganz genauso, wohlweislich hast du bestimmt hautnah mittels deiner diesbezüglichen Vorträge bei Landwirten die eher ernüchternden Reaktionen der Teilnehmer wahrgenommen. Mein Gedanke dazu ist halt wie schon erwähnt so, dass ich das Verhalten 1 zu 1 vergleiche mit den Betreibern der Kleingärten und sonstigen Gartenbesitzern, bei den Landwirten denk ich sind es nur die größeren Dimensionen. Für mich ist das ebenso erschreckend, dass die heutigen Großbauern in ihrer Selbstverantwortung fast ausschließlich darauf konzentriert sind ihren Betrieb kostengünstig und gewinnbringend zu betreiben, eine Rücksichtnahme oder gar Schutzmaßnahmen für die Welt der Insekten und andere Feldtiere hat da keinen Raum. Dennoch kann ich mir nicht vorstellen, dass diese Form der Landwirtschaft sich auf Dauer behaupten kann, weil nach meinen Beobachtungen die neue heranwachsende Generation, mit deren Eltern mit einem nicht unerheblichen Anteil doch sehr auf mehr biologisch orientierte und erzeugte Lebensmittel ausgerichtet ist, wenn dann die Nachfrage dafür zunimmt, wie will denn dann die Landwirtschaft darauf reagieren?  Es zeichnet sich mancherorts auch ein Trend ab wo junge Familien Bauernhöfe besuchen um sich ein Bild zu verschaffen wo und wie die Lebensmittel erzeugt werden. Im Umkehrschluss ist das vielleicht ein Hoffnungsschimmer für die Insektenwelt und anderer Feldtiere, wenn sich da so langsam die Orientierungen der Landwirtschaft verändern.

Lieber Gruß Sigi 

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ADMIN

Lieber Sigi,

ich kann Deinen Gedanken gut folgen. Allerdings befürchte ich, dass die neu heranwachsende Generation nicht alleine nur durch ihr Dasein in der Lage ist, eine durchgreifende Änderung herbeizuführen. So, wie es sich im Moment darstellt, ist diese neu heranwachsende Generation aufgrund mangelnder Ausbildung vom Kindergarten an bis über sämtliche Schulsysteme und eventuell Studiengänge hinweg entweder fachlich nicht in der Lage, hier wirksame Zeichen zu setzen, oder schlichtweg nicht gewillt aufgrund andersartiger Interessen.

Und ein großes Problem sprichst Du oben auch schon an: Wenn doch einmal ein Interesse da ist, dann ist fast immer ausschließlich die Qualität der Lebensmittelerzeugung Gegenstand der Sorge und Aktivität, nicht aber der gravierende Einbruch bzw. die Zerstörung der Biodiversität.

Es geht also hier unmittelbar um den Menschen selbst, nicht um den Erhalt der Biodiversität. Dieser ist aber zwingend nötig, nicht zuletzt, weil an dessen Ende erst die gute Qualität der Lebensmittel steht. Das ist sehr, sehr vielen Menschen nicht wirklich bewusst. Ansonsten wäre der Drang zu Konsum und Fun nicht so groß.

Ich denke, es liegt an allen jetzt im Moment lebenden Menschen, sofort und bei jeder sich bietenden Gelegenheit zu "voten", ein klares NEIN zu formulieren zu dem, was da passiert, ein NEIN mit allen seinen Folgen. Zu allem anderen haben wir keine Zeit mehr. Dies wird von so gut wie jedem souveränen Wissenschaftler bestätigt.

Und dabei sollten wir eine klare Sprache wählen: Die industrialisierte Landwirtschaft tötet aktuell in Deutschland tausende Menschen pro Jahr, Lebenserwartungen werden im Durchschnitt um viele Monate gesenkt. Dies ist seit Jahren wissenschaftlich bewiesen und damit bekannt (Quellen: Habe ich oben im Beitrag ergänzt, siehe also oben). Der Unterschied zu früher ist: Heute wirtschaften die sogenannten Bauern mit dem Wissen, was ihre Wirtschaftsform bewirkt. Sie machen es also bewusst.

Warum sogenannte Bauern?

Dieser Begriff entspricht einer Illusion, einem sehr erfolgreichen Webe-Gag der Lobbyarbeiter der Landwirtschaft. Es gibt kaum noch den Bauern, den sich der "normale" Bürger unter diesem Begriff vorstellt. Den "klassischen" Bauern gibt es nur noch in der Erinnerung (und das ist Illusion) und auf Milchtüten, zusammen mit glücklichen Kühen im Allgäu, mit schneebedeckten Alpen dahinter. Es gibt im Allgäu weder glückliche Kühe auf Wiesen, noch einen Bauern, der mit Handsense zwischen solchen umher hüpft. Das ist vielmehr ein erfolgreich hochgehaltenes Imagebild seitens der Landwirtschafts-Marketinger. Der Bauer auf der Milchtüte ist lange pleite. Das geben "die Bauern" in einem anderen Zusammenhang ja auch bereitwillig zu. Wie ist das Gejammere über das "Bauernsterben" anders zu verstehen?

Es gibt keine "Bauern" mehr, auch keine "Landwirte". Die "Bauern" von heute sind Unternehmer, und genau so stellen sie sich draußen auch auf. Tiere werden bis auf extrem wenige Ausnahmen nur noch zu tausenden in Ställen produziert ("Tierproduktion"), und draußen auf den "Produktionsflächen" werden fast nur noch wenige hochgezüchtete und/oder genveränderte Pflanzen in riesigen Monokulturen und/oder Energie produziert. Nun kommen also sehr verstärkt sogar reine "Energie-Unternehmer" dazu. Das hat nichts mehr mit der guten alten Heugabel zu tun. Der idyllische Bauernhof ist ein Verkaufs-Gag, den gibt´s fast nur noch im Bilderbuch und in den Köpfen der Verbraucher. Marketing-Strategen nennen die wenigen Bauernhöfe, die sie gerne als verkitschte Streichelzoos darstellen, "inszenierte Vorzeigebetriebe". 

Lieber Sigi, ja, ich mag so manches bei meiner Arbeit zu diesem Thema erleben (Stichwort Multivisions-Vorträge und die vielen Diskussionen). Aber was da gerade aktuell draußen in unserer Landschaft passiert, das kann sich Jeder selbst erschließen. Es ist einfach zu offensichtlich! Es gibt nur eine tatsächliche Hürde dabei: Man muss den Mut haben, die Wahrheit, die man überall draußen zu jeder Jahreszeit sehen kann, sich selbst gegenüber zuzulassen. Dann noch ein paar solide Forschungsergebnisse aus dem Internet, der Tagesschau oder sonst wo her akzeptieren, die die letzten Zweifel verräumen.

Tja, und dann? Dann von seinem Stimm- und Wahlrecht Gebrauch machen!

Gott sei Dank geschieht dies zunehmend, diese Rückkopplung erhalte ich immer wieder über meine Vorträge. Immer mehr Menschen gehen auf die "Bauern" zu und sprechen sie direkt an. Einfach so, während die "Bauern" ihrer Arbeit auf den Produktionsflächen nachgehen. In der "Illusion" werden diese Flächen noch gerne als Felder bezeichnet. Du musst mal Landwirtschafts-Zeitungen lesen, da klingt das alles ganz anders, viel realistischer.
Aber zurück zu dem Ansprechen der "Bauern", zum offenen "Voten": Häufig kommt es natürlich bei solchen Gesprächen schnell zu – ich nenne es mal vorsichtig – Diskrepanzen. Aber alles nun Folgende ist eine Frage der Konfliktfähigkeit. Jedenfalls merken die "Bauern", dass das, was sie da so den lieben langen Tag alles machen, nicht so einfach hingenommen wird. Und eines sollten wir Menschen mittlerweile gelernt haben:

Veränderungen kommen immer von unten.

Das zeigt ein Blick auf unsere Geschichte sehr deutlich.

Liebe Grüße,

Roland

 

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Makronist

Hallo Roland,

während ich gestern am 2.2. deinen Beitrag gelesen habe kam im BR Fernsehen eine Karnevalssitzung von "Fastnacht in Franken 2018" da trat "Matthias Walz" auf und der hat sehr eindrucksvoll das Thema Insektensterben vorgebracht, dies kannst du ja in der Mediathek anschauen falls du es nicht zufällig schon gesehen hast.

Zu den heutigen Schulsystemen und auch Ausbildungsmodalitäten in den Kindergärten bin ich mir nicht ganz sicher ob da über Insekten und ähnliche verwandte Themen gesprochen und unterrichtet wird. Ich wohne direkt neben einer Grundschule und werde demnächst mal die Schulleitung anfragen ob es da Anknüpfungspunkte gibt.

Deine umfangreichen Ausführungen sind für mich absolut plausibel, nur eins erschließt sich mir dennoch nicht, du sprichst ja den Erhalt der Biodiversität an, die ja zwingend im Vordergrund stehen müsste, damit alle anderen Bausteine die daraus folgern funktionieren können. Aber wie kannst du dir das vorstellen, wie könnte in der heutigen Landwirtschaft mit konkreten veränderten Maßnahmen so ein landwirtschaftlicher Unternehmer gezielt dahin kommen, wenn er seine betriebliche Wirtschaft umstellt, und dann im "biodiversen" Plan dennoch zufriedenstellend existiert? So eine Umstellung z.B. im Kleingartenbereich ist ja mit wenig Aufwand in zeitlich überschaubaren Schritten zu realisieren.

Diese komplexen landwirtschaftliche Fabriken sind doch so in Systeme eingebunden, wo fast der Eindruck entsteht dass da kaum noch Räume frei sind, außer durch ein völliges loslösen von diesen verschachtelten Abhängigkeiten der Marketing Programme. Und dass hier nur eine Veränderung von unten nach oben machbar und auch denkbar ist davon bin ich ebenso überzeugt. 

Interessantes Thema

liebe Grüße Sigi

 

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ADMIN

Hallo Sigi,

ich fange mal einen neuen Kommentar-Block an, ansonsten wird das alles ein wenig schwer lesbar wegen der schmaler werdenden Spaltenbreite.

Ja, das mit "Fastnacht in Franken 2018" in den Mainfrankensälen in Veitshöchheim habe ich mitbekommen. Und obwohl ich als Rheinländer nun wirklich ´ne sehr offene Humorader habe, sehe ich zunehmend in dieser Art von Problem-Handhabe eher einen negativen Effekt. Da wird – wie hier in dem Beispiel – mal ordentlich über den Landwirtschafts-Schmidt hergezogen, dann gut gelacht, und ab zum nächsten Thema. Wenn man gesehen hat, mit welcher selbstherrlichen Genugtuung andere Parteikollegen von Christian Schmidt in Veitshöchheim anwesend waren und dieses Spiel mitspielen, dann wird einem trotz des "tollen Humors" irgendwie anders. Es gehört also mittlerweile zum miesen Spiel dazu – eben wie früher der Hofnarr zum Hofe. Auch er hat den seinerzeitigen Niedergang der Adels-Dekadenz nicht verhindern können. 

In vier Wochen habe ich eine Veranstaltung ebenfalls in den Mainfrankensälen Veitshöchheim. Bin gespannt, wie sich dann die Energie zum gleichen Thema anfühlen wird...

Zu den Schulsystemen:

In den Schulsystemen wird nicht speziell über Insekten gelehrt. Das ginge vielleicht auch etwas zu weit, ist aber auch nicht nötig.

Das Problem liegt vielmehr darin, dass über mehrere Jahrzehnte der Stellenwert des Fachs Biologie deutlich abgebaut wurde. Dies zeigt sich bereits in den neuen Begrifflichkeiten: Es heißt in den Gymnasien nicht mehr Biologie, sondern Natur und Technik. Überlege mal, wie stark der Mensch hinter dem Wort Technik steht. Die Biologie dagegen ist eine reine Grundlagenwissenschaft. Auch in Grundschulen wurde die Bedeutung von Biologie im Sinne von Wald- und Wiesenbiologie immer mehr abgebaut.

Dann hat man dies vor etwa 20 Jahren erkannt. Was passierte? Ich schildere mal ein Beispiel aus Bayern (in anderen Bundesländern gibt es ähnliche Geschichten zuhauf):

Man verankerte die Biologie wieder mit mehr Gewicht in die Lehrpläne von Grundschule und Gymnasien. Konkret die Themenbereiche Hecke und Wald sollten verstärkt Eingang in die schulische Lehre finden.

Nun konnte man das zwar in die Lehrpläne aufnehmen, aber damit ist noch lange nicht sichergestellt, dass dies auch erfolgreich gelehrt wurde. Denn ein Großteil die Lehrer hatten sich mittlerweile ebenfalls völlig von der Biologie entfremdet. Was der Lehrer nicht weiß, kann er nicht lehren, auch nicht, wenn´s im Plan steht.

Ich war seinerzeit Revierförster. Scharenweise kamen Lehrer gelaufen und baten mich, ob ich diesen Teil der schulischen Ausbildung nicht übernehmen könne. Begründung: Die Lehrer kannten beispielsweise selbst (mehr) nicht die verschiedenen Pflanzen in der heimischen Hecke, geschweige denn die Insekten. Das Gleiche traf auf die Ökologie des Waldes zu. Dies kommunizierten sie auch offen.

Ich lief also jahrelang mit Grundschul- und Gymnasialklassen in der Pampa herum und "unterrichtete" das, was die Lehrer nicht unterrichten konnten. Nach einigen Jahren erkannten dann Schulämter und Ministerien dieses "Problem". Es wurde daraufhin ein wirklich sehr gutes Projekt beschlossen: Kultus- und Umweltministerium setzten sich zusammen und entwickelten einen sehr aufwändigen Lernordner für Lehrer der Schulen Bayerns. Sein Name ist Tiere life.

Er enthält zu verschiedenen Tiergruppen und Lebensräumen Übersichten und Arbeitsmaterialien. Jede Bayerische Schule (!) bekam diesen Ordner kostenlos zum Verbleib – für die Lehrer. Die schauten aber nicht in den Ordner rein, zumindest nicht ausreichend, dass jedes Kind dann davon profitieren konnte.

Nächster Schritt: Die Ministerien boten Tiere-life-Einführungs- und Lernkurse für Lehrer, die sich in den Schulen dafür zur Verfügung stellen, an, logischerweise kostenlos, ist ja deren Job. Die wurden aber viel zu wenig angenommen, weil – das sagten zumindest viele Lehrer – dafür keine Zeit mehr im Lehralltag der Schulen ist.

Ende der Geschichte: Heute steht der Wille zu mehr Biologie immer noch in den Lehrplänen, der Ordner in den Schränken der Schulen. Sein Inhalt kommt aber immer noch nicht in ausreichendem Maße bei den Kindern an.

[Mir ist dies alles bekannt, weil ich bei diesem Ordner mitgearbeitet habe.]


Das gleiche bei den Studiengängen: Reine Biologie- und Ökologie-Lehrstühle wurden und werden zunehmend abgebaut, an ihre Stelle traten und treten Lehrstühle wie Landschaftspflege, Landschaftsarchitektur u.a. Auch hier wieder: Pflege, Architektur. Der Mensch rückt immer mehr in den Vordergrund bei der Betrachtung der Natur, die Grundlagenwissenschaft geht immer weiter zurück.

Genau das wird allmählich zu einem sehr großen Problem. Nicht nur der Kenntnisstand in der breiten Bevölkerung geht zurück, auch die Biologie-Fachleute sterben aus – mit der bösen Folge, dass es kaum noch Menschen gibt, die wissenschaftlich korrekt feststellen können, wie stark und folgenreich tatsächlich der Biodiversitätsverlust ist. Hierzu gibt es ein gewichtiges Gutachten aus dem Jahr 2014, das ich in der MAKROTREFF Nr. 5 auf Seite 59 kurz vorgestellt habe, *1.

Noch ein paar Sätze zur Zukunft der landwirtschaftlichen Ausrichtung:

Du sprichst es oben schon selbst an: Um ernsthaft (!) den Anforderungen des Biodiversitäts-Erhalts gerecht zu werden, reicht es überhaupt nicht aus, an kleinen Schräubchen zu drehen. Will man hier wirklich die notwendige Veränderung erreichen, müssen komplette Systeme geändert werden, von Grund auf. Warum? Hierzu ein Beispiel:

Die heutige Landwirtschaft funktioniert nach dem Prinzip, dass der Landwirt auf der Produktionsfläche den größtmöglichen Gewinn herausholt. Ende, das ist alles, das war´s! Alles, was dem entgegen steht, also zu Einbußen bei der Gewinnerzielung führt, wird "entschädigt". Das ist der Begriff. Man spricht hier also von "Schaden". Maßnahmen im Sinne von Naturschutz, anders ausgedrückt, der Schutz von Pflanzen und Tieren, ist ein "Schaden", der "entschädigt" wird. Das muss man sich wirklich mal in aller Gemütsruhe auf der Zunge zergehen lassen! So wird unser Umgang mit der Natur benannt, so wird er gefühlt, so wird er gesehen. Tiere nicht zu töten, Pflanzen nicht zu vergiften, ist ein Schaden! Handlungen, die dieses Töten und Vergiften einschränken, werden mit öffentlichen Mitteln gefördert! Dafür gibt es Geld. Geld, nicht zu töten und zu vergiften. Anstatt das Töten und Vergiften zu bestrafen, wird das Nicht-Töten und Nicht-Vergiften belohnt. Daraus resultiert: Töten und Vergiften ist normal! Und das entspricht alleine der Wahrheit. Das spiegelt sich in der gesamten landwirtschaftlichen Praxis wider. Und das entspricht damit auch der gesamten Naturschutz-Praxis. Auf dieser Logik basieren sämtliche Förder- und Entschädigungsprogramme, die vom amtlichen Naturschutz verwaltet und ausgeschüttet werden. Ein eigentlich perfides Spiel zwischen Zerstörung und Bewahrung – unterm Strich erfolgloser Bewahrung, weil gerade vieles zusammenbricht.

Dieses kleine Beispiel verdeutlicht, wie falsch, wie (ver)rückt unser landwirtschaftliches System ist. Hier muss sehr viel geändert werden. Es ließen sich unzählig viele andere Ansätze anfügen.

Und nun dürfen wir nicht in die nächste Falle tappen: Nicht wir müssen den Landwirten sagen, wie sie es machen sollen! Das sollen sie selber sagen, selber erforschen, selber neue Systeme entwickeln, die nicht auf einem solchen Wahnsinn fussen. Dafür haben sie die Ausbildung, da sind sie viel kompetenter als andere Bürger, ehrenamtliche Naturschützer in Vereinen, Biologen oder Landschaftspfleger.

Die Landwirtschaft sagt sofort, wenn sie so etwas hört oder liest, was ich hier schreibe: "Dann sag uns, wie wir es machen sollen!" Und was tut "der Naturschutz" seit Jahrzehnten? Sie machen genau das. Da entwickeln Biologen, Landschaftspfleger oder Naturinteressierte Konzepte, wie die Landwirte es besser machen könnten/sollten. Hallo, was ist das denn? Hat Angela Merkel den Autokonzernen ein neues Abgas-Konzept für ihre Dieselstinker entwickelt und vorgelegt? Ordnerweise Konstruktionspläne zu VW, Audi und Co. getragen mit ihren neuen Entwürfen für saubere Motoren, die die Autokonzerne dann nur noch produzieren müssen? Das würde kein Mensch verlangen. Der Auftrag lautete: Macht ihr das gefälligst besser (ob und wann das geschieht sei dahingestellt)!

Aber "der Naturschutz" meint mal wieder im vorauseilenden Gehorsam, er müsse nun diese neuen landwirtschaftlichen Konzepte erstellen. Das tut er seit Jahrzehnten – erfolglos! Nein, es müsste lauten:

STOPP! Hört ab sofort auf, alles zu töten! Entwickelt selbst neue Konzepte, wie ihr nun zukünftig ohne diese extreme Vernichtung aller Lebewesen Nahrungsmittel produziert!

Das sollte jedoch sehr schnell erfolgen, denn die Landwirtschaft ist gerade dabei, einen so großen Schaden anzurichten, dass Umkehrungen bald nicht mehr möglich sind. Denn ökologische Systeme kollabieren nicht linear sondern exponentiell, d.h. ihr Niedergang fängt langsam an, wird allmählich stärker und kommt dann plötzlich an einen Punkt, an dem der Zusammenbruch beginnt und sich fortsetzt, selbst dann, wenn die Ursachen für denselben sofort beseitigt werden. Das ist der berühmte point of no return.

Deswegen: Wir haben keine Zeit mehr!

Ja, das sind sehr interessante Themen, aber auch sehr schwere. Viele Menschen wollen sich deshalb damit nicht konfrontieren und wählen die Verdrängung oder gar Leugnung. Anscheinend ist das bei Dir anders, Sigi...

Lieber Gruß,

Roland

Quellen:

*1 Erosion der Artenkenner; Frobel K. & Schlumprecht, H. (2014)

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Makronist

Hallo Roland,

schön dass du erwähnst eine "offene Humorader" zu haben, denn mit stoischer Verbissenheit ist das was da zum behandelten Thema grad abgeht wohl kaum auszuhalten. Die Faschingsveranstaltungen werden von den Moderatoren schon akribisch übers Jahr vorbereitet, natürlich haben die nicht unbedingt den Stellenwert, Dinge zu verändern, mich hats nur erstaunt, dass da überhaupt einer zum Thema Insektensterben was gesagt hat.

Zum Stellenwert der Biologie im Schulwesen ist mir die Entwicklung ähnlich bekannt, zu meiner Schulzeit in den 50 ger Jahren gabs noch das Fach Naturkunde, und da wurde schon noch über die Welt der Bienen ect. gelehrt. Nach meiner Lehre als Kaufmann hab ich wie du zur Forstwirtschaft gewechselt, allerdings als Waldarbeiter, dort war der Förster auch ab und zu mit Schulklassen im Wald unterwegs. Leider musste ich meinen Plan im Forstwesen wieder aufgeben,wegen Krankheit am Skelett, geblieben ist halt die Naturverbundenheit.

Deine umfangreichen Ausführungen zur Biodiversität waren mir in dem Umfang nicht bekannt, es reicht meines Erachtens der "gesunde Menschenverstand" um die Zusammenhänge und Auswirkungen für alle Beteiligten zu verstehen. Dann ist es doch tatsächlich genauso wie du nun resümierst letztendlich Aufgabe der Landwirtschaftlichen Betriebe selbständig neue Konzepte zu entwickeln damit diese bestehenden Formen verändert werden. Die Wissenschaftler und Naturforscher schreiben sich die Finger wund, so wie ich das inzwischen sehe, so kann ja die Bauernschaft nicht behaupten, davon nichts gewusst zu haben.

Wie solche komplexen Systeme im Naturbereich kollabieren dafür gibts andernorts genug Beispiele, das zuwarten ist schlussendlich das allerdümmste was passieren kann.

Ich für meine Person werde mit meinen bescheidenen Mitteln alles tun um dem Insektensterben dagegenzuhalten, aber wie gesagt die Hauptakteure sind im Umfeld der Landwirtschaft zuhause.

Liebe Grüße

Sigi

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ADMIN

Hallo Sigi,

was Du schreibst, kann ich sehr gut nachvollziehen. Ich wünsche Dir weiterhin diese Mischung von Kraft, Mut und gesunder Gelassenheit auf Deinem Weg. Ich freue mich, einen Teil davon erleben zu dürfen.

Liebe Grüße,

Roland

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Makronist

Hallo Roland,

zu deinem Einsatz bei diesem brisanten Thema Insektensterben zieh ich den Hut! Wenn jemand Kraft, Mut und vor allem Gelassenheit dafür verdient hat bist Du das, genau das wünsch ich dir von ganzem Herzen- ich hab viel dazugelernt, dieses Thema bleibt uns noch lange erhalten.

Vielen Dank nochmal für deine sehr aufschlussreichen Berichte dazu

liebe Grüße

Sigi

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Makronist

Hallo Roland,

ich bin noch nicht lange im Makrotreff angemeldet. Doch habe ich immer mal neugierig auf der Seite rumgeblättert.

Der letzte Beitrag hier auf der Seite ist schon über ein Jahr her und in den Medien erscheint derzeit nichts wichtigeres als Corona. Von Artensterben, Insektensterben wird keinWort mehr verschwendet. Wir Menschen machen einfach so weiter. Hier mal ein kleines Beispiel wie es auch anders gehen kann...Ich konnte ein 8000 m2 großes Grundstück am Fluss bekommen, welches an meinem Grundstück angrenzte. Die Hürden um dieses Grundstück zu bekommen, waren immens. Da es sich um Ackerland handelt, wurden zuerst alle Landwirte der Umgebung gefragt, ob Interesse besteht... Gott sei dank habe ich das Grundstück nach langem hin und her doch bekommen. Ich habe es über ein Jahr nicht gemäht und wenn man sieht, welche Pflanzen auf einmal wachsen , wenn man nicht 5.x im Jahr Heu etc. macht ist schon gewaltig. Es war 2020 schon ein Blütenmmeer. Und sehr viele Schmetterlinge bis hin zum Schwalbenschwanz. Die angrenzenden Grundstücke der Landwirte links und rechts grüne Ödnis.... Diese Jahr werde ich schmetterlingsblumensamen einarbeiten um noch mehr Vielfalt auf der Wiese zu bekommen. Schade ist nur dass 8000 m2 nicht reichen und wir haben leider schon 10 nach 12 . Aber das haben 98 % der Menschheit noch nicht verstanden.

LG 

Andreas

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ADMIN

Hallo Andreas,

das ist ein sehr schönes Beispiel für eine"Renaturierung" einer knapp 1 Hektar großen Fläche.
Du sprichst von ehemaligem "Ackerland" und vergleichst etwas später in Deinen Ausführungen Deine (extensive) Behandlung mit einer intensiveren Heuernte ("5 x im Jahr Heu"). Hast Du das Ackerland in Wiese umgewandelt? So, wie ich Dich verstehe, hast Du dies nicht gemacht, sondern es "nur" sich selbst überlassen. Dann würde es mich jedoch verwundern, wenn bereits nach einem Jahr so viele Wiesen-Blütenpflanzen erscheinen. Was für Pflanzen sind aufgetaucht? Kennst Du sie oder einige von ihnen?

Du sprichst in diesem Zusammenhang die aktuelle Situation vor dem Hintergrund der Pandemie an. Ja, es ist tatsächlich sehr erstaunlich, wie stark seit einem Jahr alle anderen Themen in den Hintergrund gerückt sind. Gut, die Pandemie ist ein Thema, das die Menschen beschäftigt und diskutiert wird. Und ich möchte nun hier auch nicht das Faß aufmachen, wie die Pandemie und ihre Folgen einzuwerten sind; hierzu kann man sich täglich in unseren Medien selbst ein Bild machen.

Allerdings wundere ich mich darüber, wie stark die anderen "Probleme" in der Wahrnehmung und Diskussion der Gesellschaft in den Hintergrund gerückt sind. Das Klima wandelt sich ungehindert weiterhin. Und die biologische Vielfalt wird ungebremst weiter zerstört – beides parallel zur Corona-Pandemie. Und eines dürfte sicher sein: Corona wird irgendwann entweder "besiegt" oder – was nach meiner Einschätzung wahrscheinlicher ist – zu unserem Leben dazugehören, genauso wie die verschiedenen Grippen oder andere Virus-Erkrankungen. Die Folgen des Klimawandels sowie die Zerstörung der biologischen Vielfalt jedoch werden deutlich "schlimmer" für den Menschen und einen Großteil des sonstigen Lebens auf der Erde werden. Und beides wird sich nicht lösen lassen mittels Impfungen, Lockdowns, Ausgangsperren oder ähnlichem.

Anders ausgedrückt: Die Probleme mit den wesentlich größeren Folgen als diejenigen der Pandemie scheinen die meisten Menschen erst einmal vergessen zu haben. Das Dramatische dabei: Es verstreicht Zeit! Zeit, in der, wie oben schon gesagt, das Klima sich weiter wandelt und die Biodiversität weiterhin zerstört wird. Und diese Zeit haben wir nicht mehr!

Liebe Grüße 

Roland

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Makronist

Hallo Roland,

mich hat es auch erstaunt, wie schnell die Natur sich wieder „erholt“ wenn man von erholen sprechen kann... ja Du hast Recht, ich lasse alles erstmal stehen und schaue nach was wächst. Ist klar, dass Pflanzen wie der Löwenzahn zuerst da war. Ab dem Frühsommer war die ganze Wiese voll von Acker- Witwenblume, Flockenblume, Wiesenknopf und viele Disteln. Sehr viele Schachbrettfalter und Widderchen waren schon da gewesen. Auch der Schwalbenschwanz zog ab und zu seine Kreise. Jetzt über dem Winter habe ich ein paar Obstbäume (alte Obstsorten) angepflanzt. Schade, dass ich alleine nicht die Welt retten kann. Ich denke Dir geht es genauso.

ich versuche, mit dem was ich hier schaffe meinen Beitrag für die Natur zu leisten.

Und Du hast vollkommen Recht mit deinen Ansichten zu Corona etc. Allerdings bin ich der Meinung, dass wir das „Ding“ schon gegen die Wand gefahren haben. Ist ja nicht nur der Rückgang der Insekten um bald 80%. Schau dir die ganzen Natur- Dokumentationen an. Man hört nur noch von bedrohter Tierwelt. Weltweit

ich höre jetzt besser auf....kriegt man Zuviel Kopfkino

gruss

Andreas

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Makronist

Hallo Andreas,

mit großer Begeisterung hab ich deinen Beitrag hier verfolgt, insbesondere die Herangehensweise, wie Du dieses 8000 Quadratmeter Grundstück einfach mal sich selbst überlassen hast. Spannend wird es sein inwieweit sich die weitere Entwicklung der Wiese gestalten wird. Einen ähnlichen Versuch habe ich auf einem wesentlich kleineren Garten mit 800 Quadrat vor Jahren gemacht, allemal ist es immer eine Chance für heimische Insekten und andere Spezies. Irgendwie bekam ich den Eindruck, als würde im Boden der Wiesenflächen eine Vielfalt schlummern, die durch permanentes Abmähen und sonstige Bewirtschaftung nicht zur Entfaltung kommt. Natürlich ist der Rückgang der Artenvielfalt im Lauf der Jahre auch mir aufgefallen, dennoch hoffe und warte ich geduldig aufs neue, was jetzt 2021 wieder zum Vorschein kommt, obwohl die Lobby im Umfeld für naturgemäßen Umgang mit den Wiesen und Gartenflächen zur Erhaltung und Förderung der Artenvielfalt spärlich vorhanden ist.Trotz aller Widersprüche diesbezüglich sehe ich vorwiegend bei der jüngeren Generation gute Ansätze bei mir im Umfeld, meinem Beispiel zu folgen, wer will denn schon gerne so trostlose abgemähte Wiesen, oder was noch schlimmer ist, Schottergärten betrachten, wenn andere Objekte wachsen, werden auch die Sichtweisen auf Dauer umgepolt, das ist meine große Hoffnung.

Lieber Gruß Sigi

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